Scythe Susanoo: Weil groß geil ist?
Einleitung
Scythe tummelt sich eigentlich im Midrange-Segment – gute Leistung, aber Abstriche beim Finish und der Benutzerfreundlichkeit. Das soll sich nun ändern, denn mit einem radikalen Konzept kommt der Sensenmann in das Revier der etablierten Größen. Dabei beschränkt man sich nicht auf die graduelle Verbesserung des bewährten, sondern bläst ein etwas älteres Konzept maximal auf. Kühler der Top-Blow Bauweise spielen im oberen Leistungssegment schon länger keine Rolle mehr.
Das der Name den Gott des Windes aus der japanischen Mythologie bezeichnet, ist im Angesicht von vier 100 Millimeter Lüftern ziemlich treffend. Damit dieser Haufen auch gut zu tun hat, stehen ganze zwölf Heatpipes für zwei Kühlersegmente zur Verfügung. Die Abmaße gereichen dabei Godzilla zu Ehre, wenngleich hier nicht Tokio, sondern nur das heimische Gehäuse bedroht ist. Ob aber auch die Konkurrenz unter diesem gewaltigen Ansturm zusammenbricht, haben wir in unserem Testlabor – mit genügenden Sicherheitsvorkehrungen – getestet. Roarrr! Im gleichen Zuge haben wir unsere Testmethoden noch einmal überarbeitet. Die Belohnung: Eine deutlich bessere Leistungsauswertung, denn nun messen wir nicht mehr nach Voltage und Drehzahlen, sondern nur noch nach Drehzahlen - gerade mit PWM-Lüftern sorgt dies für eine bessere Vergleichbarkeit.
Technische Daten und Lieferumfang
Bereits die Verpackung lässt keine Zweifel über die Herkunft des Kühlers aufkommen: Quietschbunt und voller Schriftzeichen aller mehr oder weniger gängigen Sprachen. Banzai! Direkt an den Seiten werden der Lieferumfang und vor allem die Abmaße grafisch dargestellt, sowie die offenbar von Japanern über die Maßen geliebten Abkürzungen erklärt. D.B.S., W.AM.S. und F.M.S.B.3 lassen sich schließlich auch mit viel Phantasie nicht auflösen, klingen aber höchst wichtig. Nur auf die Abkürzung von „Wide Range Cooling Purposes“ hat man unverständlicherweise verzichtet.
Dabei ist die Auflösung simpel: D.B.S. meint „Double Block Structure“ und beschreibt lediglich die zwei Kühlungssegmente bzw. Lamellenblöcke. W.AM.S. ist „Wide Area Multi Fan System“, womit lediglich die vier Lüfter sowie die Kühlung des Mainboards samt seiner Komponenten wie u.a. Mosfets und Northbridge gemeint sind. Die letze scythische Abkürzung F.M.S.B.3 ist ein alter Bekannter und kündigt die „Flip Mount Super Backplate“ in Version 3 an. Damit einhergehend ist der Susanoo zu allen momentan erhältlichen Sockeln kompatibel.
Am Interessantesten ist jedoch die Oberseite der Verpackung. „CPU Cooler for Advanced Users“ – für fortgeschrittene oder fortgelaufene? Die Frage nach Warnung oder schlichter Feststellung ist nicht ganz eindeutig zu beantworten. Auch die weiteren Hinweise direkt unterhalb tragen nichts zur weiteren Ermunterung bei. Denn hier beschreibt Scythe, welche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Betrieb überhaupt erfüllt sein müssen – lange, lange Liste. Zunächst wird eine Minimalbreite des Gehäuses von 200mm angegeben sowie ein Modell mit verschrauben Abstandshaltern für das Mainboard und Ausschnitt für die Backplatemontage. Außerdem sollte das Gehirn des Rechners über neun Befestigungspunkte verfügen und verschraubt werden. Damit nicht genug: Der Monsterkühler ist auch bezüglich der Grafikkarte wählerisch. Es muss zwingend ein Modell sein, dessen Stromanschlüsse nicht in Richtung der Gehäuseseite ausgerichtet sind. Andernfalls sollte ein PCIe-Slot gewählt werden, der nicht vom Susanoo überbaut wird. Das Gleiche gilt übrigens für Kühler, die über das PCB der Grafikkarte stehen – z.B. mit ihren Heatpipes.
Als wäre das nicht alles schon schlimm genug, garantiert Scythe nicht, dass Godzilla einwandfrei eingebaut werden kann – selbst wenn alle diese Punkte erfüllt sind. Für weitere Faktoren werden, laut der Packung auf der Homepage und im Forum des asiatischen Herstellers, gelegentlich Updates und neue Informationen bereitgestellt. Da fällt es kaum mehr ins Gewicht, dass Scythe eher beiläufig erwähnt, dass man eventuell „any 3rd partys assistance as well as non-standard processes“ nutzen muss, um den Kühler zu montieren. Auf Deutsch: Alleine ist die Montage nur unter Mühen möglich und selbst zu zweit fummelig und muss irgendwie gedengelt werden. Da ist nicht nur der Kühler groß, unsere Augen sind es jetzt auch. Der Normaluser sollte spätestens jetzt schreiend die Flucht ergreifen. Wir bleiben trotzdem standhaft.
Ausgepackt fällt das staunende Auge des Kunden auf ein wahrhaftiges Monster. Lüfter, Heatpipes, Lamellen - das ergibt fast schon eine reißende Bestie. Positiv fällt sogleich die Lüftersteuerung auf. Wie bei Scythe üblich, liegt eine Variante für die Slotblende bei. Hier allerdings werden die Lüfter per Stecker angeschlossen und sind nicht fest verdrahtet. Das Zubehör beschränkt sich auf das Nötigste: Halterungen, Schrauben, eine kleine Tüte Wärmeleitpaste.
Der zweite Blick auf den Kühler lässt das Auge des Betrachters vor Staunen fast herausfallen. Hier ist nichts normal! Allein die von Scythe bekannten Kühlfinnen auf der Bodenplatte sind um ein vielfaches Größer als bei gewöhnlichen Kühlern. Heatpipes von unglaublicher Länge, in zwei Lagen in den Boden eingearbeitet, transportieren Wärme zu den zwei Lamellenblöcken. Dabei beliefern die unteren sechs Heatpipes den größeren Block, weil sie zuerst erwärmt werden. Für alles, was diesen "Sperrgürtel" überquert, ist die zweite Reihe verantwortlich. Dafür wird weniger Lamellenfläche veranschlagt, wobei die Höhe des Blocks ohnehin durch die einer Slotkarte begrenzt wird. Ungewöhnlich für diese Preisklasse: Nichts ist vernickelt. Außerdem fehlen den Lamellen die sonst üblichen Haltenasen, die ein versehentliches Verbiegen verhindern. Das ist für 75,- € eher unschön.
Die Halterung wird - wie gewohnt - erst je nach Hersteller (Intel/AMD) angeschraubt, wonach an den passenden Bohrungen eine Schraube mit Innengewinde angebracht wird. Ohne Haube erinnert Godzilla eher an Loch Ness, die berüchtigte Seeschlange. Schwer ist die Transformation nicht. Einfach die drei Lüfterklammern entfernen, die - eher untypisch für den japanischen Hersteller - ohne Kraftaufwand abzunehmen sind. Ein Austausch ist aber nur mit Kabelbindern möglich, denn die beigelegten Klammern eignen sich ausschließlich für die mitgelieferten Lüfter. Das ist schade, denn Modelle mit 200mm Durchmesser sind an Markt verfügbar. Auch ein Tausch gegen Silverstones AirPenetrator in der 180mm Version bleibt so verwehrt - was schon etwas ärgerlicher wird, denn die AP-Modelle könnten durch ihren extrem weit reichenden Luftstrom die Temperaturen des Mainboards und der GPU vor allem bei geringen Drehzahlen weiter verbessern.
Kompatible Sockel (Stand August 2020):
- Intel Sockel: 775, 1150, 1151, 1155, 1156, 1200, 1366
- AMD Sockel: AM2, AM2+, AM3, AM3+, FM1, FM2, FM2+
Das Testsystem
Unser Testsystem nimmt in einem Lian-Li PC60FN Gehäuse Platz. Gegenüber einem offenen Testaufbau erhalten wir so praxisnahe Ergebnisse, auch wenn durch die Vielfalt an Komponenten und Konfigurationen keine hundertprozentig übertragbaren Werte generiert werden können.
Zur Geräuschreduktion haben wir sämtliche Gehäuselüfter ersetzt und an einer Scythe Kaze Master Lüftersteuerung angeschlossen. Im Heck schaufelt nun ein Noiseblocker Multiframe MF-12 S2 Luft (650 Rpm), ebenso wie auf dem CPU-Kühler, einem Thermalright HR-02. Dieser ist für einen Intel Core i7 920 im C0-Stepping zuständig. Ein echter Hitzkopf mit 130 Watt TDP, der wie geschaffen für unseren Kühlertest ist. In die Front setzten wir einen Noctua NF-P14 FLX, der mit nur 450 Rpm rotiert. Da die meisten Nutzer Krach nicht mehr mit Leistung gleichsetzten, orientieren wir uns hier an den momentanen geräuschtechnischen Anforderungen. Die Festplatte hingegen muss sich in ein Scythe Quiet Drive zwängen und wird mittels eines einfachen Baumarktschwammes auf dem Gehäuseboden entkoppelt. Als Testkarte nutzen wir eine AMD HD3870 im Referenzdesign, die von einem Xigmatek Bifrost gekühlt wird. Weil die originalen Lüfter schleifen und klackern, mussten sie Noctua NF-B9 mit 92mm Durchmesser weichen, die während der Benchmarks mit 5V gedrosselt laufen. Außerdem wich der Lüfter einem Multiframe - 650 Umdrehungen müssen auch hier genügen.
Testsystem:
- Intel Core i7 920 (3,4 GHz)
- Asus P6TD Deluxe
- 6 GB DDR3 1333
- Western Digital Black 640 GB
- Antec TruePower New 550 W
- AMD HD3870 (Xigmatek Bifrost mit 92 mm Noctua NF-B9)
Zur Leistungsmessung belassen wir den Rechner nach dem Einschalten zunächst 15 Minuten im Leerlauf. Anschließend belasten wir ihn eine weitere Viertelstunde mit Core2MaxPerf in der Version 1.7. Hierbei werden alle acht logischen Kerne der CPU belastet. Temperatur und Takt werden dabei mit RealTemp 3.60 beobachtet. Nach Ablauf der Zeit word ein Mittelwert aus den Ergebnissen der einzelnen Kerne gebildet. Aufgrund der mit zunehmender Differenz zum Notabschaltpunkt ungenauer werdenden Temperatursensoren verzichten wir auf Messungen im Idle-Betrieb. Reicht der Kühler unter Last aus, tut er das ohne erst recht. Dank eines Raumthermometers können wir Delta-T (k) Werte ermitteln. Um gleiche Voraussetzungen für alle Kühler zu schaffen, kommt für die Tests ausschließlich MX-2 Wärmeleitpaste von Arctic Cooling an CPU und Kühler. Sämtliche Runs werden zweimal ausgeführt: Sowohl mit dem Normaltakt des Prozessors (2,67 GHz) als auch in moderat übertaktetem Zustand (3,4 GHz ohne Spannungserhöhung). Die Geschwindigkeitsstufen mit 100, 75 und 50 Prozent der Maximaldrehzahl werden ebenso wie die Drehzahlmessungen zwischen 500 und 1200 Rpm mit der Scyhte Kaze Master Lüftersteuerung eingestellt.
Die Lautstärkemessungen erfolgen mithilfe eines Voltcraft SL-100 Schallpegelmessgerätes. Dieses wird aus 15cm Entfernung zum offenen Gehäuse auf Höhe des CPU-Kühlers mittels eines Statives fixiert. Abgelesen wurde zur Minimierung von Interferenzen aus einer Entfernung von einem guten Meter vom SL-100. Um Nebengeräusche zu minimieren, erfolgten die Messungen in einer ruhigen Wohnsiedlung („Dorf“) vormittags und in der Nacht. Zudem wurden die Lüfter im Testsystem deaktiviert, wodurch lediglich die Festplatte und das Netzteil für Nebengeräusche sorgten.
Die Montage
Entsprechend der Größe des Kühlers und natürlich gemäß den vielen Warnungen auf der Verpackung ist die Montage eine mittlere Schweinerei. Die Flip Mount Backplate kennt man bereits von anderen Scythe-Produkten - sie kommt fast unverändert zum Einsatz. Das heißt konkret: Man verschraubt direkt durch die Backplate mit der Halterung. Immerhin werden die Schrauben nun mit Gummiringen fixiert, sodass sie nicht mehr versehentlich beim Aufsetzen des jeweiligen Kühlers wieder aus der Backplate gedrückt werden und zu Boden fallen. Neu ist die Idee allerdings nicht, fand sie doch bereits bei der Dark Rock Serie von Be quiet! Verwendung. Wer nun denkt, dass man den Kühler ja ganz einfach mit ausgebautem Mainboard anschrauben kann, lernt schnell die Tücken von Monsterkühlern kennen.
Zum einen muss die Grafikkarte, sofern sie vom Kühler überdacht wird, zuerst auf dem Mainboard Platz nehmen. Das ist noch kein Ausschlusskriterium, erschwert die Sache jedoch. Und zum anderen kann der frustrierte Schreiberling mit montiertem Susanoo die Schrauben zur Befestigung des Mainboards nicht mehr erreichen - geschweige denn an die ATX-Stromanschlüsse gelangen. Bei den Trockenübungen erfahren wir auch, warum Scythe vor hohen Konstruktionen auf der Grafikkarte warnt. Unser Xigmatek Bifrost ist, obwohl nur wenige Zentimeter über das PCB stehend, nicht kompatibel zum Susanoo. Ein Scythe Musashi ließ sich gerade so unterbringen - wow. Das ist bei Karten der Mittelklasse kein großes Problem, schließlich gibt es hier eine Vielzahl an serienmäßig kompakten und gleichzeitig leisen Kühlsystemen. Darüber aber ist das kaum noch der Fall. Glück hat, wer über einen zweiten PCIe-Slot in den unteren Regionen seiner Hautplatine verfügt.
Entsprechend steckt man also die Schrauben durch die Backplate und fixiert diese anschließend mit den Gummiringen. Nun kommt der spaßige Teil: Mit einer Hand muss der 1,565 Kg schwere Kühler gehalten werden, mit der anderen ein Schraubendreher zur Befestigung. Dabei windet man sich um das Gehäuse wie Frau Merkel um klare Aussagen. Ein schrecklicher Zustand! Logisch, dass man das Gehäuse nicht hinlegen kann. Es muss stehen. Eine zweite Person hilft nur bedingt. Hilfreicher ist es, wenn man selbst fühlt, wo der Kühler gerade aufsitzt. Das Einschrauben selbst ist allerdings dank des nun neuen Anschlages bemerkenswert komfortabel. Dies bleibt bezüglich der Montage allerdings so ziemlich der einzige positive Punkt. Warum hat niemand an eine Lösung wie beim Musashi, dem VGA Kühler aus gleichem Hause, gedacht? Gewinde in die Halterung, von der Rückseite Rändelmuttern eindrehen - fertig ist eine werkzeugfreie un auch bei Riesenkühlern bequeme Montage...
Sind alle Mühen überwunden, thront ein riesiger Klotz im Gehäuse. Dicht, voll, zu, rien ne va plus. Hoch, breit, tief - mehr geht einfach nicht. Es ist allerdings noch möglich, den Arbeitsspeicher einzubauen. Lustigerweise eine der wenigen Komponenten, die keinerlei Platzbeschränkungen unterworfen ist. Sprich: Die Höhe der Heatspreader ist bei guten neun Zentimetern Abstand zum Mainboard ziemlich egal. Auch die Schnittstellen für HDDs oder das I/O-Panel sind wie der gesamte untere Bereich der Hautplatine exzellent zugänglich. Die ATX-Stromanschlüsse sollte man aber vor der Montage verbunden haben... Sorgen bereitet der geringe Abstand zum Seitenteil. Kann ein Lüfter derart verbaut Luft fördern?
Temperaturen 1 - Standardtakt & Passiv
Bereits auf den ersten Blick wird man beim Betrachten der Ergebnisse stutzig. Hoher Abstand bei maximaler Drehzahl, gute Leistung bei halbierter - ein neues Passivwunder vielleicht? Weit gefehlt. Zwischen vollen 2000 und 1000 Umdrehungen liegt beim Susanoo nur knapp ein Grad Unterschied. Erschreckend wenig! Die Lüfterbatterie sitzt ganz offenbar viel zu dicht am Seitenteil, um aus hohen Drehzahlen irgendeinen Nutzen ziehen zu können. Deshalb steigt die Leistung in Relation zum Testfeld, wenn man eine verringerte Geschwindigkeit zu Grunde legt und sorgt so für ein gutes Abschneiden hinter dem Prolimatech Genesis. Da wir nicht mehr alle Kühler nachtesten konnten, ist das Testfeld bei verringerten Rpm leider etwas ausgedünnt. Wir bitten um Entschuldigung! Im "OC"-Setting konnten wir hingegen auf eine reichhaltige Sammlung an Messwerten zurückgreifen. Hier sind die Tabellen wie gewohnt vollständig.
Passiv hat der Susanoo wenig Probleme mit unserem Core i7 und liegt auf einem Niveau mit anderen für derartigen Betrieb geeigneten Kühlern. Der Vorsprung des Prolimatech Genesis erklärt sich aus dem dicht am Hecklüfter sitzenden Lamellensegment. Könnte der Susanoo ebenso auf einen günstig platzierten Rotor im Seitenteil zurückgreifen, würde auch er noch einmal zulegen.
Temperaturen 2 - Overclocking
Das gleiche Szenario bietet sich mit erhöhter TDP. Verringerte Drehzahl bringt eine minimale Veränderung der Temperatur, wohingegen sich der Susanoo bei 50% Drehzahl im Testfeld weiter vorne platziert.
Temperaturen 3 - Mit fest eingestellten Drehzahlen
Bei festen Drehzahlen kann der Susanoo endlich seine Qualitäten zeigen. Das Muster steigender Leistung mit sinkender Drehzahl - in Relation zum Testfeld - ist nun aber sattsam bekannt. Dennoch kann sich der Susanoo trotz 1,56 Kg Material und vier Lüftern nicht einmal annähernd an die Spitze setzen. Das an sich ist eine eher schwache Leistung und rechtfertigt einen weiteren Test mit offenem Gehäuse.
Temperaturen 4 - Mainboard & Grafikkarte
Nach dem langen Leidensweg in unserem Testsystem darf der Susanoo nun den Hammer auspacken. Wir entfernen das Seitenteil und lassen das Monster wieder frei atmen! Das katapultiert Scythes letzten Streich sofort in ungeahnte Regionen. Zwischen 10 und 12 Grad Mehrleistung lassen sich definitiv sehen und bringen im Vergleich mit unserem Referenzkühler, dem Prolimatech Genesis, den gewünschten Platz an der Sonne. Tokio ist sozusagen dem Untergang geweiht. Natürlich mag man anmerken, dass der Vergleich zwischen einem im offenem Gehäuse getesteten Susanoo und einem mit Seitenteil gebenchten Genesis nicht ganz fair ist - es geht aber auch nur darum, das Leistungspotential dieser Konstruktion anzudeuten. Ein normaler Towerkühler profitiert übrigens weit weniger von der "Zwangsbeatmung". Unser HR-02 mit Multiframe S12-2-Lüfter vermochte sich bei 12 V nur von 47,55 auf 43,2 Delta-Grad zu steigern.
Von der hohen Leistung einmal abgesehen, brüstet sich Scythe auch noch mit der exzellenten Kühlung von Mainboard und Grafikkarte. Ersteres können wir mangels Sensoren nicht überprüfen, letzteres hingegen schon. Unsere HD3870 mit Scythe Musashi wurde 15 Minuten lang zum Berechnen des "Felldonuts" gezwungen. 1680 x 1050 Pixel und 4x MSAA hielten die Auslastung oben, auf PostFX oder andere Optionen haben wir allerdings verzichtet. Dabei wurde der Musashi mit 5V Versorgungsspannung betrieben.
Das Ergebnis enttäuscht in unserem Testszenario. Mit geschlossenem Seitenteil kann sich der Susanoo nicht gegen unseren HR-02 behaupten! Erst mit erweiterter Luftzufuhr werden die Temperaturen wie schon gewohnt schlagartig besser. Das gilt allerdings nur für die maximale Drehzahl. Mit verringerter lagen die Ergebnisse keinen Deut über denen mit geschlossenem Seitenteil. Fehler ausgeschlossen. Wahrscheinlich macht uns der Scythe Musashi hier einen Strich durch die Rechnung - er kann durch die direkte Belüftung des PCBs der HD3870 keinen besonderen Vorteil aus der extra-Kühlung ziehen bzw. verhindert er, dass der zusätzliche Luftstrom die Oberfläche der Grafikkarte erreicht. Wir vermuten daher, dass die Radial- und Direct-Exhaust-Kühler diverser Referenzlayouts direkter vom Top-Blow Konzept profitieren.
Die Lautstärke
Wie zu erwarten setzt sich der Susanoo Scythe-typisch in Richtung Spitze des Testfeldes, geschlagen nur vom Ninja 3. Mit reduzierter Drehzahl wird das Betriebsgeräusch aber schnell angehnehmer. Mit halbierter Drehzahl ist der Kühler kaum noch aus dem System herauszuhören. Die vier 100er Ventilatoren erfreuen dabei durch ein recht gutes Lager.
Mit festen Drehzahlen sortiert sich der Susanoo im Mittelfeld des Testfeldes ein - vier Lüfter sind naturgemäß eher lauter als zwei oder weniger Exemplare. Ab 800 Rpm ist aber quasi nichts mehr aus dem Gehäuse herauszuhören.
Max Doll meint
Lässt man die vergangenen Seiten Revue passieren, kann man durchaus zu dem Schluss kommen, dass Fukushima nicht erst vor ein paar Wochen war. Denn Scythe hat mit dem Susanoo primär eine Machbarkeitsstudie in den Handel gebracht. Koste er, was er wolle. Leider hat man sich dann ausschließlich darauf beschränkt: Machbar ist das Konzept. Nur sinnvoll, sinnvoll ist es nicht. Eigentlich. Natürlich gibt es eine Zielgruppe für dieses Monster, so wie es immer eine Zielgruppe für alles gibt. Geeks, Sammler, Liebhaber des Besonderen, Modder. Vor allem wohl letztere, denn mit normalen Gehäusen ist der Einsatz des Susanoo schwerlich sinnvoll zu veranstalten, selbst wenn die ewig lange Liste diverse Voraussetzungen erfüllt ist - zu denen recht ironisch keine Öffnungen im Seitenteil gehören.
Die vielen Nachteile umfassen unter anderem Montage, zuallererst. Nicht einmal mehr die Grafikkarte kann demontiert werden, ohne in Berührung mit dem äußerst mühsamen Befestigungssystem zu kommen. Zudem darf die Pixelschleuder nicht mehr x-beliebige Kühlkörper haben. Flach muss es sein – wie in einem Cube oder plastischer: Wie bei der Oberweite von Kate Moss. Vom Platzangebot wird tatsächlich der Midi- oder gar Big-Tower drastisch in die Regionen eines Kompaktgehäuses geschoben. Die Chancen stehen also gut, dass man bezüglich der GPU bei einem in der Regel eher lauten Referenzkühler hängen bleibt. Das dann immerhin der Susanoo recht leise ist – geschenkt. Denn das verlagert eher die direkte Verantwortung für den Lärm. Wie man trotz Überbauung von Kernkomponenten Komfort sichert, hat Prolimatech mit dem Genesis unlängst gezeigt. Dass dann die Lüfter aufgrund des Durchmessers nicht 1:1 austauschbar sind, fällt kaum noch ins Gewicht und sorgt eher für eine gewisse Dankbarkeit. Schließlich sind die 100mm-Fächler recht leise, regelbar und verhindern, dass das gesamte Mainboard überdacht würde, wie z.B. mit 120er Exemplaren möglich. Noch größer würde selbst diese Gigantomanie noch auf die Spitze treiben.
Das berücksichtigt aber noch nicht die Montage, die nur im Gehäuse stattfinden kann. 1,5 Kg Kühler in der einen, den Schraubendreher in der anderen – über die Höhe der Strahlendosis kann man nur spekulieren. Leider sind andere, bequemere Möglichkeiten der Befestigung durch die schiere Größe des Kühlers fast ausgeschlossen. Die Leistung hält mit dem Aufwand leider nicht Schritt. Weder die GPU noch die CPU werden deutlich besser als mit herkömmlichen Towerkühlern versorgt. Mit geschlossenem Gehäuse ist der Susanoo enttäuschend schlecht und rechtfertigt weder Preis noch die Montagemühen. Bei offenem oder entsprechend passendem Gehäuse sieht das Leistungsbild wieder anders aus - der Susanoo liegt hier mindestens auf Augenhöhe mit Prolimatechs Genesis. Allerdings kann man ein offenes oder stark perforiertes Seitenteil kaum als Standard voraussetzen. Bei geringeren Drehzahlen in geräuschtechnisch angenehmen Regionen marschiert der Susanoo zwar auch in unserem Testsystem nach vorne, kann sich aber leider nicht an die Spitze setzen. Auch komplett passiv ist die Leistung zwar gut, kann aber auch mit weitaus kompakteren Kühlern realisiert werden. Der Niedergang der Top-Blow-Bauweise lässt sich auf diese Weise nicht aufhalten.
Es spricht also nicht viel für den Susanoo. Wer aus seinen 75,- € auch wirklich Kapital schlagen will, muss zwingend eine lange Liste an Bedingungen erfüllen. Dafür darf er sich dann erst einmal mit der Montage herumschlagen bis er tatsächlich aus den 1,5-Kg-Kühler gute Leistungen resultieren. Solange nicht gerade etwas Besonderes gewünscht ist oder wirklich alle Voraussetzungen optimal geschaffen sind, fährt man daher mit den "konservativieren" Konzepten der Konkurrenz besser - ohne auf Leistung verzichten zu müssen.
- Positiv
- Gute Lüftersteuerung
- Kompatibilität (Sockel)
- Leistung (offenes/passendes Gehäuse)
- Neutral
- - / -
- Negativ
- Montage
- Hohes Gewicht
- Kompatibilität (Gehäuse)
- Preis
- Lamellen nicht gesichert
- Größe
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